Von Trüffeln und Trüffelschweinen

  

Ein schachlicher Leckerbissen für Genießer bot sich bei der 2. Auflage des Schach 960-Turniers im oberbayerischen Bad Aibling. Unter den 40 Teilnehmern waren gleich 11 GM (!), 3 IM und 2 FM. Sie wurden angelockt durch  einen sensationellen Preisfond von 10.000€ (!). Neben Jürgen Kleinert vom SV23 befanden sich mit Annemarie Mütsch vom SC Eppingen und Gunnar Schnepp vom SK Lauffen zwei weitere Unterländer Teilnehmer im Feld.

Schach 960 ist nur eine von mehreren Bezeichnungen für eine ursprünglich von Exweltmeister Bobby Fischer ins Leben gerufene kreativere Variante des Normalschachs. Die Aufstellung der Figuren auf der Grundlinie wird hierbei kurz vor Beginn jeder Partie neu ausgelost. Beide Rochaden bleiben möglich. Es zählt selbständiges Denken vom ersten Zug an statt angelerntes Herunterbeten von Buchvarianten. In den 90-er und 00-er Jahren wurde Schach 960 von Hans-Walter Schmitt im Rahmen der Chess Classics in Mainz massiv protegiert. Nach dem Ende dieser Turnierserie gab es zunächst einen gewissen Stillstand, inzwischen scheint Schach 960 jedoch wieder im Kommen. Anlässlich des Reykjavik-Opens im März fand mit dem Segen der ECU die EM im Fischer-Schach (wie Schach 960 auch genannt wird) statt. In Waldbronn bei Karlsruhe findet am 10. Juni die bereits 6. (offene) Deutsche Meisterschaft statt und in Biel läuft im Juli im Rahmen des dortigen Opens erstmals sogar über eine Woche ein Schach 960-Turnier mit normaler Bedenkzeit. Und es gibt den Schach 960-Enthusiasten Dr. Ulrich Zenker, der unter youtube wöchentlich (!) ein neues Video über Schach 960 produziert. Übrigens äußerst professionell gemacht.

Dr. Zenker war es auch, der die Turnierserie in Bad Aibling ins Leben rief. Spielort dort ist eine weitläufige komfortable Hotelanlage mitten im Grünen. Das Turnier selbst ist hervorragend organisiert incl. Abholservice vom Bahnhof, Hilfestellung, Anleitung und Equipment bei der Erstellung eines Schachvideos, gemeinsames Abendessen, Wahl der kreativsten Spieler durch die Teilnehmer selbst u.v.m. Auffällig war die wesentlich entspanntere Atmosphäre gegenüber jedem Normalschachturnier. Beeindruckend: ausnahmslos alle Spieler waren bei der Siegerehrung anwesend!

Die vorzüglichen Rahmenbedingungen inspirierten mich in meinem Spiel merklich. Trotz einer Niederlage in der Schlußrunde landete ich als bester Nichttitelträger auf dem 16. Platz (5/9) (13. Gunnar Schnepp (5,5/9), 20. Annemarie Mütsch (4,5/9)) und sicherte mir damit den Ratingpreis von 150€. Es siegte relativ unangefochten GM Fridman (7/9) vor GM Kunin (6/9) und GM Hort (6/9).

Neben meinem Match gegen GM Kunin bildete insbesondere die Partie gegen Vlastimil Hort für mich das Turnierhighlight. Von sich aus bot er nach dem Match eine Analyse an und zeigte mir, wie ich meine vorteilhafte Stellung wohl hätte verwerten können. An unser gemeinsames Trainingswochenende vor einigen Jahren bei Steffen Vielhauer erinnerte Hort sich positiv. Schachspielen macht ihm nach wie vor großen Spass, auch wenn er inzwischen einen Stock als Gehhilfe benutzen muss.

Schach in Bad Aibling findet auch 2019 wieder am Wochenende nach Ostern statt, allerdings dann möglicherweise einmalig eingebettet in die Deutsche Meisterschaft im Normalschach in Radebeul bei Dresden. Für mich, der das klassische Schach mit der immerselben Anfangsstellung nur noch als vergleichsweise langweilig empfindet, sicherlich ein Pflichttermin!

Eine 15-minütige Videozusammenfassung vom Turnier findet sich unter https://www.youtube.com/watch?v=nymIWUuKvsU