„Jürgen, Du bist wieder im Radio!“…. lautete die mit einem Schmunzeln vorgebrachte Ansage des Organisationsteams nach der Schlussrunde des erstmalig ausgerichteten Färöer-Opens 2017. Was sich dahinter verbarg, dazu später mehr. Ausgangspunkt meiner Teilnahme war Mitte April ein Hinweis im Turnierkalender der FIDE.

Die Färöer-Inseln: ein autonomer Teil Dänemarks, ca. 45.000 Einwohner, zwischen Schottland und Island gelegen – den meisten bekannt von den Auftritten des DFB-Teams gegen sich tapfer wehrende Freizeitfussballer. Anders als das Mutterland sind die Färöer-Inseln aufgrund der reichen Fischgründe nicht Teil der EU. Dem Lebensstandard, der wie nahezu überall in Skandinavien deutlich höher als in Deutschland ist (wie mir auf Nachfrage erklärt wurde, verdient ein Beschäftigter in der Fischindustrie ca. 6.000€ brutto) tut dies jedoch keinen Abbruch, auch dank der Transferzahlungen aus Kopenhagen.

Kuriosum am Rande: sowohl für mich als auch für unseren 1.Vorstand Kaus-Dieter waren die Inseln bisher ein weißer Fleck auf der europäischen Landkarte. Der Zufall wollte es, dass wir am selben Tag erstmals färöischen Boden betraten! Klaus-Dieter allerdings im Rahmen eines Landausflugs auf einem Kreuzfahrttrip mit seiner Gattin. Da das Turnier jedoch nicht auf der Hauptinsel mit der Hauptstadt Torshavn ausgetragen wurde, sondern an einem Fjord einer Nachbarinsel, kam es nicht zu einem Zusammentreffen.

Das Turnier wurde relativ kurzfristig organisiert. Die Teilnehmerzahl nimmt sich mit 28 deshalb  eher klein aus, sorgte allerdings für eine ausgesprochen familiäre Atmosphäre. Allerdings befanden sich darunter gleich 6 GM, 3 IM und 3 FM! Das Teilnehmerfeld war dreigeteilt. Eingeladene ausländische Titelträger, einheimische Spieler (darunter 1GM, 1 IM und 3FM!) ….. und meiner Wenigkeit. Die Unterbringung erfolgte preisgünstig in einem Studentenwohnheim ( wo ich u.a. mit dem auch hierzulande bekannten lettischen GM Miezis einen interessanten Austausch hatte) und privat. Zur Vollverpflegung gehörten morgens frische Brötchen auf dem Küchentisch, ein ständig gefüllter Kühlschrank und vorzügliche frisch zubereitete warme Speisen im Turnierlokal. Zu diesem Zweck war extra ein Koch organisiert worden, der mich fast täglich mit frischem Fisch erfreute. Ein Highlight des Turniers war das aussergewöhnliche Rahmenprogramm, welches von den Organisatoren mit großem Einsatz auf die Beine gestellt wurde. Noch am 1.Tag erfolgte nach Rundenende eine anspruchsvolle mehrstündige Wanderung bis kurz vor Mitternacht auf 400m hohe Erhebungen, wo man einen unvergesslichen Blick auf die Täler und den Atlantik hatte. Weiter ging es (natürlich!) mit einem Fussballmatch, einem Blitzturnier, einem Ausflug in die Inselhauptstadt und einem eindrucksvollen Angelausflug mit Motorboot zu den zahlreichen Lachsfarmen an der Atlantikküste. Für die Ausbeute eines Zentners gefangener Dorsche ging allerdings ausgerechnet der Kapitän über Bord…. Fotoaufnahmen hiervon existieren jedoch leider nicht 🙂

die ausländ. Teilnehmer am Angeltörn (l. der über Bord gegangene Kapitän, Jürgen 3. v. r.)

Das Turnier begann für mich mit einem Highlight, als ich in der 1.Runde am Spitzenbrett (leider wie auch in der 2.Runde mit Schwarz) gegen die Nr. 85 der Weltrangliste, die peruanische Legende Julio Granda Zuniga antreten durfte, dabei jedoch lange eine ausgeglichene Stellung hielt, ehe ich in Zeitnot einen Flügelwechsel des Peruaners unterschätzte. Highlightz eines völlig misslungenen Starts war ein peinlicher Fingerfehler (2.Zug in einer Kombination vor dem 1.Zug) in einer gewonnenen Stellung gegen ein Insulanerkind. Dessen Erfolg gegen den hochfavorisierten Ausländer aus Deutschland fand angesichts der beträchtlichen ELO-Differenz denn auch prompt Eingang in den färöischen Rundfunk, wie mir Organisator Martin wenig später übermittelte. Doch sollte dies nicht das letzte Mal sein. In der Schlussrunde ging es gegen den 11-jährigen Sohn des färöischen Premierministers. Er wies zwar lediglich eine ELO von 1550 auf, wurde jedoch von dem einzigen färöischen GM trainiert und spielte das Turnier auf einem Level von 1900 ELO. Es kam, wie es kommen musste. Ausgangs der Eröffnung legte er in der Mitte des Brettes ein vierzügiges Figurenopfer hin, welches ich nicht ansatzweise auf der Rechnung hatte. Erneut fand ich damit Eingang in den Rundfunk, zudem war es mir noch gelungen, den regelmäßig vor Ort kiebitzenden Premierminister glücklich zu machen … Sieger des Turniers wurde der junge indische GM Srinath Narayanan.

Trotz deutlicher ELO-Einbußen war das Open ein absolutes Highlight. Der schachliche Misserfolg wurde durch die fantastische Landschaft, das einzigartige Rahmenprogramm und die familiäre Atmosphäre mit vorzüglichen Organisatoren und Großmeistern auf Du und Du mehr als aufgewogen. Eine Neuauflage wird es nächstes Jahr Mitte Juli geben, allerdings an anderer Stätte in der Nähe des Flughafens. Wer einmal ein in jeder Beziehung außergewöhnliches Open spielen möchte, dem sei dieses Turnier wärmstens ans Herz gelegt!

v.l.r.: GM Granda Zuniga, BM´in von Torshavn, Organisator Martin, Schiedsrichter, Jürgen