Blitz- und Schnellschach EM in Skopje

  

Es gibt wohl kaum eine Sportart, in der man das Privileg hat, als gewöhnlicher Patzer an einer Europameisterschaft teilnahmeberechtigt zu sein. Da dies im Schach der Fall ist, nutze ich dieses Privileg seit einigen Jahren regelmäßig. Nach Kattowitz/Polen 2017 führte der Weg vergangene Woche nach Skopje/Makedonien. Die ehemalige jugoslawische Teilrepublik war jüngst in den Schlagzeilen, als es der Bevölkerung gelang, eine  kleptokratische rechtsnationalistische Regierung von den Futtertrögen der Macht zu vertreiben, um sodann einen Ausgleich mit dem Nachbarn Griechenland als Voraussetzung für die angestrebte EU-Mitgliedschaft in die Wege zu leiten.

Nach Skopje gelangt man unkompliziert per Direktflug für irrsinnige 15€ einfache Strecke. Im Vorfeld hatte ich ähnlich kostengünstig ein Apartment unweit des Turnierlokals angemietet, Fahrrad selbstverständlich kostenfrei inbegriffen. Da Skopje mit seinen ca. 600.000 Einwohnern für mich bislang ein weißer Fleck auf der europäischen Landkarte war, reiste ich einen Tag vorher an. Ich nutzte dies u.a. zu einer mehr als dreistündigen Stadtführung, hervorragend dargeboten von einem Unidozenten im Nebenjob mit interessanten Einblicken auch in die politische, ökonomische und soziale Situation sowie einem Besuch des örtlichen Holocaustmuseums.

Die beiden Turniere fanden jeweils zweitägig in einem riesigen Saal eines Fünfsternehotels statt. Während bei der Blitz-EM ca. 10 deutsche Teilnehmer an den Start gingen, darunter Daniel Fridman, Hajo Vatter und vom HSchV Nikolas Pogan, waren es bei der folgenden Schnellschach-EM (Wochenende!) rund doppelt so viele. Auch wenn an der Spitze die ganz großen Namen fehlten, waren die Felder extrem stark besetzt. Fridman beispielsweise landete im Schnellschach nur auf Rang 37 von knapp 400 Teilnehmern, der ehemalige Topalovsekundant Tscheparinow gar nur auf Rang 60.

Für mich selbst endeten beide Turniere mehr als zufriedenstellend. Nach einer siebenmonatigen Schachpause konnte ich im Blitzschach einen dreistelligen ELO-Zugewinn verzeichnen und im Schnellschach fand ich mich gegen Gegner zwischen ELO 2050 und 2200 ergebnistechnisch auf Augenhöhe. Der einzige Wermutstropfen war die erneute Pflege eines ganz speziellen Hobbies: eine Niederlage gegen ein 15-jähriges Kiddie mit ELO 1500 mit dem ätzenden Eröffnungsaufbau c3, d4, e3….

Das Turnier selbst war bestens organisiert. Ausreichend Platz, extrem pünktlicher Start, zusätzliches Chess 960-Turnier. Allerdings kamen die Veranstalter gewaltig ins Schwimmen, dauerte doch eine Runde im Schnellschach bei der Bedenkzeit von 15m+10s incl. Auslosung mit durchschnittlich 75 Minuten deutlich länger als geplant.

Fazit: Skopje ist auch touristisch gesehen einen Besuch wert, es war ein tolles Turnier in einem ausgezeichneten Ambiente mit freundlichen Gastgebern! Ich freue mich jedenfalls schon auf die nächste EM kommenden Dezember in Tallinn/Estland!